Sechs Monate ist unser kleinstes Familienmitglied schon Teil unser Gang. Sechs Monate sind wir zu Viert und erst jetzt, nach einem halben Jahr, kann ich sagen, dass wir ganz langsam wieder durchatmen und unser Familienleben richtig genießen können. Die letzten Monate waren laut und voller Tränen, waren chaotisch und so oft so dunkel, dass es nicht leicht fiel die guten Momente zu genießen und sie für die schweren Momente bunt und warm in Erinnerung zu behalten.
Die ersten acht Wochen hat unser Baby geweint. Untröstlich und jeden Abend stundenlang. Wir haben getragen und gewogen, geschunkelt und gewippt, sind durch die Dunkelheit spaziert, haben gesungen, gesummt und gebrummt, gehalten und gestreichelt, zugehört und mitgeweint, haben geflucht und ja, auch geschrien.
Dann lag ich mit dem Baby acht Tage zu Weihnachten im Krankenhaus. Mit piependen Monitoren und blubbernden Sauerstoff. Unser zweiter Krankenhausaufenthalt in so kurzer Zeit. Das Schicksal kleiner Geschwister im Winter: RSV.
Wieder zuhause wurde mehr geweint, mehr geschrien, mehr durchgestreckt, mehr gefordert. Ließ sich unser Herbstbaby vorher noch tagsüber ab und an ablegen, lebte es jetzt nur noch in der Trage. Es ging eigentlich alles nur noch im Tragetuch oder der Babytrage. Kein Trösten mehr ohne, kein Schlafen und eine ganze Weile sogar kein Stillen mehr. Das Baby lebte dicht an mich gepresst. Tagsüber und nachts. Es wurde wieder getragen und gewogen, geschunkelt und gewippt, durch die Dunkelheit spaziert, gesungen, gesummt und gebrummt, gehalten und gestreichelt, zugehört und mitgeweint, geflucht und ja, auch geschrien. 24/7.
Aber es wird besser. Manchmal auch wieder viel schlimmer, aber im Großen und Ganzen besser. So langsam legt sich ein trüber Schleier über diese unendlich langen Monate, ich vergesse immer öfter wie kacke sich alles angefühlt hat. Nicht das sie kacke waren, das weiß ich noch, aber das wie sehr ist weg. Es gibt immer mehr Tage mit wirklich schönen Momenten, mehr Momente, in denen wir alle durchatmen können und die wir nicht panisch mit Fotos festhalten müssen, weil keiner von uns weiß wann der nächste gute Moment da sein wird. Es wird besser. Nur Abends ist noch immer Chaos. Viel und laut und anstrengend. Aber auch das wird besser. Irgendwann. Wehe wenn nicht.
Sechs Monate Baby, sechs Monate zu viert
Geil, wir haben sechs Monate geschafft! Wir sind so gut!

Mach mal langsam
Unser Baby gibt alles. Immer! Mit zwei Monaten und ein paar zerquetschten Wochen rollte er sich vom Rücken auf den Bauch und wieder zurück. Mit nicht ganz fünf Monaten entdeckte er den Vierfüßlerstand und das Robben für sich, mit sechs Monaten kommt er eigenständig in den Sitz und es sieht so aus, als würde er als nächstes im Bärengang durchstarten, statt zu krabbeln. Denn er steht im Vierfüßlerstand oft nicht mehr auf seinen Knien, sondern auf seinen Füßen. Er hat es eilig. Super eilig.
Er hält niemals still, macht nie eine Pause. Er ist immer in Bewegung. Alles um ihn herum saugt er auf, will er entdecken. Er gibt 120%. Das ist nicht nur für ihn ordentlich anstrengend. Es fordert uns alle.
Aber wie süß ist es bitte, diese kleine Rübe durch die Wohnung pesen zu sehen, ihm zuzugucken, wie er sich einfach auf seinen kleinen Poschi setzt und in seinen Händen seine ausgezogene Socke hält um sie direkt in seinen Mund zu stecken? Wie zuckersüß ist es, zu sehen, wie sehr er sich über jeden kleinen Fortschritt, jede neue Bewegung freut? Wie laut er lacht, wenn er plötzlich um die Ecke guckt und einen entdeckt. Es ist so so so schön! Und morgen kann er vermutlich laufen und kann endlich mit seinem Bruder Fußball spielen. Darauf wartet der Große nämlich schon sehnsüchtig.

Abendroutine, was ist das?
Wer so ein Tempo vorlegt, so viel so schnell lernt und entdeckt, der hat viel zu verarbeiten. Gut drauf ist er nach einem Schläfchen zwischen einer halben und einer ganzen Stunde. Ausnahmen mit vielen anderen Babys um sich herum die ihn ablenken, draußen auf der Wiese oder in der Sandkiste mit viel um sich herum zum Entdecken und in den Armen anderer Mütter bestätigen natürlich die Regel. Danach wird gemeckert, geschrien, geweint. Vor Hunger, Müdigkeit, Erschöpfung, Frustration.
Aber es wird keine Pause gemacht. Er will mehr, schafft es aber nicht. Er findet inzwischen selbst in der Trage und mit laufendem Fön oft nur noch schwer in den Schlaf, dabei gab es durchaus eine kleine Phase, in der er im Arm liegend im dunklen Zimmer mit ein bisschen Geschunkel ganz fix einschlief und sogar ein paar Tage, an denen er im Kinderwagen glücklich war.
Was Tagsüber noch immer oft nicht gerade für entspanntes Familienleben sorgt, bringt uns Abends regelmäßig um den Verstand. Zwischen seinem Nachmittagsschläfchen und der 120%-Müdigkeit am Abend liegt oft keine ganze Stunde. Gemeinsam zu Abend essen ist oft nicht drin. Wenn der Große ins Bett gebracht wird, dann weint nebenan im Schlafzimmer das Baby bei laufendem Fön. Alles ist hektisch, egal wie sehr ich mich bemühe etwas Ruhe einkehren zu lassen. Wir finden einfach keinen Ablauf, keine Routine, die diese beschissene Situation irgendwie entzerrt. Gerade an Abenden, an denen ich alleine mit beiden Kindern bin, ist es einfach furchtbar. Ich versage regelmäßig und werde keinem in dieser Familie gerecht.
Das iPad, mein bester Mitarbeiter
Ich gebe es zu, ich „parke“ das große Kind vor dem iPad. Er darf eine Serie gucken, während sein kleiner Bruder schreit, während ich irgendwie versuche ihn zu stillen, ihn zu beruhigen, ihn ins Bett zu bringen. Und ich hoffe inständig, dass ihn seine Serie so in den Bann zieht, dass er die ganzen Tränen nicht immer mitbekommt. Ich weiß mir anders tatsächlich nicht zu helfen, wenn kein anderer da ist, der sich mit ihm beschäftigt.
Und es ist okay. Wir sind den ganzen Tag draußen, er tobt sich mit seinen Freunden quer durch den Stadtpark, über Spielplätze und durch unseren Innenhof. Er ist eigentlich immer in Bewegung, an der frischen Luft und zusammen mit Freunden.
Aktuelle Lieblingsserien: Pettersson und Findus, Noddy, der kleine Detektiv, Paw Petrol und Kleine Prinzessin.
Beste Freunde
Auch wenn der Kleine diverse Vorlesestunden gecrasht hat und auf meinem Arm nur noch selten Platz für den Großen ist, er liebt seinen kleinen Bruder. Morgens wird er nach dem Aufwachen gekuschelt und in der KiTa gibt es zum Abschied einen dicken Kuss. Er darf mit seinen Lieblingsspielsachen spielen, zum Kuscheln bekommt er seine heiß geliebte Kuschelkatze und wenn er weint, kommt der große Bruder sofort mit dem Schnuller angelaufen. „Mama, wir sind beste Freunde.“ Mein Herz schmilzt dahin und ich bin so froh, dass er seinen kleinen Bruder so lieb hat, trotz all der vielen und lauten Tränen.

What is Schlaf? Baby don’t disturb me. Don’t disturb me. No more.
Der Große schläft wie ein Profi. Er liest Abends mit einem von uns ein Buch, dann wird die Lichterkette oder das kleine Keksnachtlicht angemacht, ein Hörspiel angeschaltet und mit Mama oder Papa neben sich sinkt er meistens ganz fix ins Land der Träume. Nachts wacht er ab und an noch ein oder zweimal auf, nur kurz und mit einem Glas Wasser oder einer dicken Umarmung kommt der Schlaf schnell wieder. Und auch als Baby, war Schlaf bei ihm ein entspannteres Thema. Lange nicht so entspannt und easy wie es immer viele in PEKiP-Kursen von ihren Baby erzählen, aber lange nicht so anstrengend wie bei seinem kleinen Bruder. Er ist beim Stillen eingeschlafen, auf meinem Schoß, in der Trage, im Bett neben mir liegend, wenn Sonnenlicht durch das Fenster schien, der Fernseher lief, ich ein Buch las oder die Lichterkette das Zimmer ganz muckelig machte.
Der kleine Babybruder braucht inzwischen fast immer absolute Dunkelheit, nichts darf ablenken. Gar nichts! Und selbst in absoluter Dunkelheit findet er noch etwas, das zu spannend zum Einschlafen ist. Und ohne laufenden Fön geht Abends auch nichts. Und überhaupt, nachts läuft er auch. Mindestens einmal, in richtig schlechten Nächten gerne auch mal im 20-Minuten-Takt. Ist unser Baby nachts nämlich erstmal richtig wach, schläft er ohne Fön und in unserem Armen nicht mehr ein. Ganz großes Kino. Das ich am nächsten Morgen manchmal müder bin, als am Abend davor ist klar, oder?
Ich bin mir nicht ganz sicher wann und wie und ob überhaupt ich ihm Dunkelheit, Fön und Tragen abgewöhnen soll. Ob es klug ist lieber früher als später mit dem Abgewöhnen anzufangen, ob es sich vielleicht von alleine gibt oder ob es für uns alle nicht einfach entspannter ist, wenn er sich selbst mit 18 Jahren bei laufendem Fön in seinem abgedunkelten Schlafzimmer in den Schlaf schaukelt. Gibt es Schlafmasken für Babys und einen Fön mit Akku? Das würde die Bis-18-Variante etwas vereinfachen. Den Großen habe ich mit 22 Monaten abgestillt und scheinbar den perfekten Zeitpunkt gefunden, denn es klappte ganz hervorragend, obwohl alle dachten, er könne niemals ohne meine Brüste einschlafen.
Eltern sein, Paar bleiben.
Puh. Ich bewundere alle Eltern die es schaffen in so einer kräftezehrenden Zeit noch genug Energie übrig haben um die Paarbeziehung auf voller Flamme laufen zu lassen. In den ersten Monaten stand sie ganz am Ende unser Prioritätenliste. Einfach irgendwie einen Tag nach dem anderen schaffen war das wichtigste. Wir waren ständig gereizt und genervt und haben es immer wieder am anderen ausgelassen. Ich kann ein wirklicher Kotzbrocken sein, wenn ich übermüdet und überfordert bin.
Aber auch hier wird es langsam wieder besser, finden wir wieder mehr Zeit für uns als Paar. Letztens standen wir vor der KiTa, haben uns mit einer anderen Mama unterhalten und plötzlich hielten wir Händchen. Keiner weiß mehr wer wessen Hand nahm, aber wir fanden es beide so schön und haben uns so sehr über diese kleine Berührung gefreut. <3 Und es gibt auch wieder immer öfter Abende, an denen wir zusammen auf dem Sofa versacken und ich nicht schon ab 19 Uhr beim Baby liege oder alle 10 Minuten rüber laufen muss.
Superbadmom
Ich bin oft schrecklich unentspannt und habe eine sehr kurze Zündschnur, meckere viel zu viel und statt zu trösten, möchte ich einfach manchmal nur, dass der Große still ist, damit der Kleine nicht auch direkt wieder anfängt zu schreien. Ich bin manchmal einfach eine richtige Kackmama.
Schlimmer als das Gefühl nach endlosen, schlaflosen Nächten, dass sich nach Kater anfühlt, nur ohne vorher gefeiert und getrunken zu haben, ist das Gefühl, dem geliebten Kind nicht gerecht zu werden. Einfach nicht genug Zeit, freie Arme, Aufmerksamkeit, Liebe und Verständnis zu haben und geben zu können, obwohl er alles so sehr braucht und verdient. Ganz oft steht der Große einfach hinten an und es fühlt sich schrecklich an.
Ich versuche wieder entspannter zu werden, öfter noch tiefer durchzuatmen, mehr Zeit nur mit dem Großen zu verbringen und Zeit mit beiden zusammen auch zu einem schönen Erlebnis für ihn zu machen. Natürlich hat genau jetzt das Baby Abends keine Lust mehr auf Papa und kommt fast nur noch bei mir runter und findet in den Schlaf. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich das auch wieder ändern wird und ich Abends bald mal wieder die sein kann, die eine Planschparty veranstaltet, statt im Dunkeln das Baby in den Schlaf zu fönen.

Elterndorf
Ich bin so dankbar für all die großartigen Eltern, die ich hier in unser Straße kennen lernen durfte, die zu Freunden wurden und die immer mit Hilfe, Rat, Schokolade, Wein, offenen Armen, leckeren Notfallabendessen und Verständnis zur Stelle sind, wenn mir alles ein bisschen zu viel wird. Mit ihnen war das letzte halbe Jahr machbar. <3
Liebe, Liebe, Liebe
So negativ, wie sich hier vieles liest, so anstrengend wie alles ist, ich möchte unsere kleine Familie auf gar keinen Fall wieder hergeben. Ich liebe unsere zwei kleinen Rabauken und freue mich so auf all die Abenteuer, die wir noch mit ihnen erleben werden. Und irgendwann gehen diese anstrengenden Monate in all den schönen Jahren einfach unter.